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BÜCHER - FÜR SIE GELESEN


Die unvollendete Autobiographie

 

Alice A. Bailey, Association Lucis Trust, Genf

Lange war Alice Bailey (1880–1949) nicht bereit, über sich selbst zu schreiben. Sie wollte auf keinen Fall ihre Persönlichkeit in den Vordergrund stellen. Was sie schliesslich doch dazu brachte, Einblicke in ihr Leben zu geben, war ein Brief, den sie 1941 von einem Freund aus Schottland erhielt. Dieser schrieb, sie würde anderen Leuten wirklich einen Dienst erweisen, wenn sie ihnen zeigen könnte, wie sie von dem, was sie war, zu dem wurde, was sie ist …

 

Alice Bailey nennt drei Gründe, die sie dazu brachten, ihre Autobiografie zu schreiben: Erstens ging es ihr darum, «die Tatsache der Existenz der Meister der Weisheit, die unter der Lenkung Christi wirkten», darzustellen. Als Zweites wollte sie «auf einige neue Welttendenzen hinweisen, die die Menschheit ganz deutlich beeinflussen und das menschliche Bewusstsein auf eine höhere Stufe bringen». Und drittens wollte sie «zeigen, wie wundervoll die Menschen sind». Das und noch viel mehr ist ihr in ihrem Buch gelungen.

 

Wir lesen über das wohlbehütete Mädchen, das im viktorianisch geprägten England des ausgehenden 19. Jahrhunderts aufwuchs und in reichen Häusern verkehrte. Und wir erfahren, wie Alice dann in jungen Jahren in grossen Sälen voller Soldaten auftrat und über die Bibel «predigte», dies zuerst in England, danach einige Jahre lang in Indien. Und wie sie später heiratete und zahlreiche Höhen und sehr oft auch Tiefen des menschlichen Daseins erfuhr, bis sie zur Weisheitslehrerin und Autorin zahlreicher wegweisender spiritueller Bücher wurde.

 

Die Verbindung zu ihrem Meister K.H. (Koot Hoomi) prägte ihr ganzes Leben. Er besuchte sie ein erstes Mal, als sie 15 Jahre alt war, und eröffnete ihr, dass es auf der Welt etwas für sie zu tun gäbe, aber nur unter der Bedingung, dass sie aufhöre, solch ein «unangenehmes, kleines Mädchen zu bleiben». Sie müsse versuchen, sich ein «gewisses Mass an Selbstkontrolle» anzueignen. Dieser Besuch prägte Alice Baileys weiteres Leben von Grund auf und führte sie schliesslich zu der Tätigkeit im Dienste der Menschheit, die sie mit so viel Hingabe ausführte. Im November 1919, als sie 39 Jahre alt war, nahm eine feinstoffliche Wesenheit, der «Tibeter», zum ersten Mal mit ihr Kontakt auf. Er erklärte ihr, es sei erwünscht, dass einige Bücher geschrieben und veröffentlicht würden. Sie könne schreiben und sie besitze eine besondere Begabung für höhere Telepathie. Nach anfänglichem vehementem Widerstand erklärte Alice Bailey sich bereit, das Diktat des Tibeters aufzunehmen und seine Bücher für ihn zu schreiben. Dabei sah sie sich lediglich als seine Gehilfin und Sekretärin.

 

So entstand das umfassende Werk zeitloser Weisheit, das heute 24 Bücher umfasst, die meisten vom Tibeter diktiert, einige von Alice Bailey selbst geschrieben. Die enorme Arbeit, die sie neben der Versorgung und Erziehung von 3 Mädchen leistete, ist nach menschlichen Massstäben unvorstellbar. Offenbar brauchte sie sehr wenig Schlaf und schrieb jeweils in den frühen Morgenstunden, bevor für die Familie der Tag anbrach. Später gründete sie die Arkanschule mit Studenten in zahlreichen Nationen und schuf ein weltweites Netzwerk, immer mit dem Ziel, das Seelenbewusstsein der Menschen zu stärken und das zeitlose geistige Wissen zu verankern.

 

Das Buch hat mich durch die Offenheit und Klarheit beeindruckt, mit der Alice Bailey sich selbst und ihr Leben betrachtet, nichts beschönigend, im Gegenteil oft beinahe zu selbstkritisch. Lebendig und vielschichtig geschrieben, hat mich das Dargelegte begeistert. Es hat mir zudem einen wertvollen Einblick in eine Zeit gegeben, in der das, was wir heute als sich erweiterndes Bewusstsein des Lichtzeitalters erleben, vorbereitet worden ist.

 

Charlotte van Stuijvenberg